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Der ein oder andere überlegt sich vielleicht, auch seinen eigenen Mailserver zu betreiben. Wann ist das überhaupt sinnvoll? Was spricht dagegen? In diesem Beitrag will ich auf diese Fragen eingehen und erklären, warum ich hauptsächlich, aber nicht nur auf eigene Mailserver setze.

Vorteile

Privates auf privater Infrastruktur

Wer einen eigenen Mailserver betreibt, tut das oft aus einem ganz bestimmten Grund: Große Mailanbieter oder Internetkonzerne sollen nicht in den persönlichen Daten schnüffeln können. Die Kommunikation mit anderen Menschen soll möglichst privat bleiben. Leider kann ein eigener Mailserver dazu aber nur bedingt beitragen: Damit E-Mails tatsächlich privat bleiben, ist es notwendig, dass beide Kommunikationspartner private Mailserver einsetzen. Wenn mein Zielkontakt seine E.Mails von Google hosten lässt, hilft mein privater Mailserver diesbezüglich nichts.

Volle Kontrolle über das Mailsystem

Hier wird es vor allem für Bastler interessant: Mit einem eigenen Mailserver kann man selbst bestimmen, welche Software in welcher Version und mit welchen Features eingesetzt werden soll. Es gibt kaum Beschränkungen und mehr Freiheiten, wenn man sein eigener Mailadministrator ist. Die maximale Größe von Mailanhängen und das maximale Volumen einer Mailbox sowie die Anzahl der verfügbaren Aliase haben keine fixen Grenzen mehr – die Grenzen setzt man sich einfach selbst. Sehr praktisch kann übrigens die unbegrenzte Anzahl von Alias-Adressen sein: Für jeden Shop/ Internetdienst kann man einen eigenen Alias generieren lassen, der einfach deaktiviert werden kann, wenn vom betroffenen Dienst Spam aus geht. Kostenlose und kommerzielle Hoster beschränken die Anzahl der nutzbaren Alias-Adressen oft auf 3-5.

Der Server ist oftmals schon da

Wenn bereits ein Server in einem Rechenzentrum gemietet ist, der noch nicht voll ausgelastet ist, kann man diese Ressourcen doch nutzen! Ein Mailserver für Familie und Freunde bringt dann keine Mehrkosten und lastet die vorhandene Infrastruktur besser aus.

Mehr Dezentralisierung

Einer der Grundgedanken hinter der E-Mail ist die dezentrale Organisation. Wer sich dazu in der Lage sieht, kann ohne weiteres einen eigenen Mailserver aufsetzen, der mit allen anderen Mailserver weltweit kompatibel ist. Ausfälle einzelner Server schränken die Funktionstüchtigkeit aller anderen Server nur wenig ein. Schlechter sieht es hingegen aus, wenn sich alle Anwender nur auf wenige zentrale E-Mail-Provider konzentrieren. Der Ausfall eines großen Providers kann zu größeren Einschränkungen führen. E-Mail wurde als dezentrales System entworfen – das sollten wir unbedingt so beibehalten. Je mehr Mailserver, desto besser in der Gesamtheit.

Lernen mit Mailservern

Der Betrieb eines eigenen Mailservers ist für viele Einsteiger – genauso wie der Betrieb eines eigenen Webservers – eine praktische Gelegenheit, sich praxisrelevantes Wissen anzueignen. Sei es nun auf einer Linux- oder Windows-Plattform. Wer schon einmal einen eigenen Server aufgesetzt hat, kann mir den Lerneffekt sicherlich bestätigen. Mailsysteme gehören zu den komplexeren Serversystemen, sodass man sich zwar eine ganze Weile einarbeiten muss, am Ende aber auch auf viel Wissen zurückgreifen kann.

Unabhängigkeit von fremden Providern

Immer wieder kämpfen größere Provider mit Ausfällen jeglicher Art. Da kann es gut sein, die eigene Mailbox selbst zu betreiben. Mit Unabhängigkeit meine ich aber auch Unabhängigkeit von Tarifänderungen, Umstrukturierung oder Entfernung von Funktionen.

 

Nachteile

Verfügbarkeit

… und damit wären wie wieder bei Ausfällen. Pannen passieren selbstverständlich nicht nur bei großen Anbietern, sondern auch auf eigenen Systemen. Wer unvorsichtig ist, gern ausprobiert und keine regelmäßigen Backups macht, kann mit einem eigenen Mailserver am Ende wesentlich schlechter dastehen, als mit Account bei einem der großen Mailprovider. Das Betreiben eines Mailservers erfordert Verantwortung und Vorsicht – und selbst dann können Fehler passieren. Wer sich entscheidet, all seine E-Mail selbst zu hosten, sollte sich dazu am besten einen separaten Server aussuchen, der von Experimenten verschont bleibt.

Übrigens: Obwohl ich vorsichtig bin, was meinen eigenen Mailserver angeht, habe ich mir auch einen kostenpflichtigen Account bei mailbox.org angelegt, um für Notfälle gerüstet zu sein. Diesen Account verwende ich auch für geschäftliche Zwecke. Lieber 12 € / Jahr in  eine vernünftige, fremd gehostete Mailbox investieren, als im Notfall ganz ohne Postfach da zu stehen.

Akzeptanz

Mit „Postfix an der Fritzbox“ ist es nicht getan. Wer im Internet als legitimer, seriös arbeitender Versender von E-Mails anerkannt werden will, muss einigen Kriterien genügen. Wichtige Kriterien für Mailserver sind:

  • Statische IP-Adresse aus nicht-DSL-Bereichen
  • Gültiger Hostname
  • PTR-Record (Reverse DNS)
  • SPF-Record
  • DKIM

Selbst nach Erfüllung aller Kriterien kann es vorkommen, dass die eigenen E-Mails beim Empfänger im Spamverdacht-Ordner landen oder nicht akzeptiert werden. Bestes Beispiel für einen besonders restriktiven Provider ist Microsoft mit outlook.com, live.com und hotmail.com. Als unbekannter Provider muss man sich über ein entsprechendes Mailvolumen erst einmal einen guten Ruf bei Microsoft aufbauen.

Spamfilter sind weniger effektiv

In vielen Fällen sind die Spamfilter eines eigenen Servers weniger effektiv als die Filtersysteme großer Provider. Anbieter wie GMX und web.de können aufgrund der enormen Datenbasis schneller und besser lernen, was Spam ist, und was nicht. Spamfilter wie Spamassassin arbeiten besser, je größer die Anzahl der Spam-Samples ist. Zudem ist eine E-Mail für einen großen Anbieter leicht als Spam erkennbar, wenn viele Mails gleicher Art in kurzer Zeit das System fluten.

Kosten

Wenn noch kein eigener vServer oder physischer Rootserver gemietet ist, ist ein eigener Mailserver teurer, als ein kostenflichtiger Account bei einem Anbieter wie posteo.de oder mailbox.org. Dort ist ein E-Mail Account mit vielen Sonderfunktionen bereits für 1 € / Monat erhältlich. Es gilt also, zwischen Kosten und Nutzen abzuwägen.

Wartungsaufwand

Wie bereits erwähnt, muss ein Mailserver gut gepflegt und sicher gehalten werden. Vernachlässigt man den Server, wird er schnell als Spam-Schleuder missbraucht und büßt seinen guten Ruf im Internet ein, d.h. er wird auf Blacklists möglicherweise als Spam-Server gelistet. Mailserver brauchen zwar keine tägliche Pflege, aber hin und wieder sollte man nach dem Rechten sehen.

 

Wie ihr seht, gibt es eine Menge Argumente, die für einen eigenen Mailserver sprechen, aber auch viele Argumente dagegen. Möglicherweise seid ihr nur auf der Suche nach einer vernünftigen Mailbox ohne Werbung oder wollt eure eigene Domain nutzen. In diesem Fall lohnt sich der Aufwand für euch nicht, und ihr seid mit einem Account bei mailbox.org oder posteo.de gut beraten. Wer technisch interessiert ist und die nötige Geduld mitbringt, ist mit einem eigenen Mailserver vielleicht zufriedener.

Ich habe mich für beides entschieden: Privates über die eigenen Server – geschäftliches über mailbox.org. Damit fahre ich seit einigen Monaten sehr gut.


Post published on 6. April 2016 | Last updated on 6. April 2016
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Thomas Leister

Geb. 1995, Kurzhaar-Metaller, Geek und Blogger. Nutzt seit Anfang 2013 ausschließlich Linux auf Desktop und Servern. Student der Automobilinformatik an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Landshut.

11 thoughts on “Warum einen eigenen Mailserver betreiben?

  • Ich nutze den Home-Mail-Server zum direkten E-Mail Empfang und einen Root-Server im Internet für den E-Mail verwandt.
    Mein Home-Server schickt alle E-Mails nicht direkt an den Empfänger sondern erst an meinen Internet Server und von da geht es zum Empfänger. So dann ich auch mit einer dynamischen IP im DSL-Bereich E-Mails verschicken.
    Wer Angst hat, bei einem Ausfall keine E-Mails mehr zu empfangen, kann einen zweiten MX Eintrag setzen und die E-Mails ggf. Bei einem Freund oder einem zweiten Mailserver zwischen speichern. Aber in der Regel werden E-Mails, bei nicht Erreichbarkeit, mehrfach zugestellt.

  • Ein wirklich guter Beitrag mit einer guten Pro/Contra Auflistung.
    Ich habe auch einen eigenen Mailserver, kleiner alter P3 der im Keller vor sich hin brummt.
    Und kann deine Argumente nur unterstützen.
    Aber ich würde nicht mehr drauf verzichten wollen. Zu wissen das alle Daten bei mir liegen
    ist Gold wert.
    Und Probleme mit der Akzeptanz hatte ich noch keine. Was ich verschickt habe kommt in der
    Regel an.

  • Web und Mailserver auf einer Maschine sollte man überdenken. Besser auf VMs aufteilen.

  • Schöner Artikel.

    Ich würde in diesem Zusammenhang aber noch erwähnen, dass man sich da schnell in eine Falle begibt, wenn z.B. bei seinem Domainhoster eine Kontakt-/Login-Mailadresse nutzt, die auf dem eigenen Server liegt.
    Wenn die Hardware ausfällt und man muss schnell auf andere Hardware/IP ausweichen, kann es kritisch werden.
    Auch wenn ein Einbruch in den Server stattfindet, ist man wenigstens noch Herr über die Domain und dann auf neue Hardware/IP umziehen.

    Daher, wenn man noch eine mailbox.org etc. Adresse nutzt, diese auch für die Registrierung der Domain verwenden. Imho.

  • Gute Zusammenfassung.
    Einen wichtigen Punkt finde ich, ist die Größe der Postfächer. Meist liegen diese bei den gewerblichen Anbietern bei 2 GB. Ich habe gern die Möglichkeit alle Mails „dabei zu haben“.

  • Hallo, habe gerade das Problem, mehrere SBS 2003 zu ersetzen da dieser von Microsoft nicht mehr zur Verfügung gestellt wird.
    Aus wirtschaftlicher Sicht halte ich den Einsatz eines dedizierten Exchange-Server in einem 5-10 Personen Büro für nicht akzeptable. Sieht das jemand anders?

    • Hallo Alex,

      das sehe ich genauso. Die Kosten und auch der Aufwand sind enorm. Wenn du SBS erfahren bist, ist der Aufwand mit Exchange vielleicht für dich absehbar. Ich hoste meine Mails bei zoho.com. Kleinste Anwender können hier ihre Maildomain auch kostenfrei hosten. 5 Postfächer sind erstmal inklusive. Über Empfehlung kannst Du dir einige male 5 weitere dazuverdienen. Die Postfächer sind 5GB gross. Ich hatte nur gelegentliche harmlose Ausfälle, bei denen Mails verspätet zugestellt wurden. Der Anbieter ist übrigens in den USA ansässig. Wer das nicht möchte muss leider verzichten.

  • Hey Thomas,

    kannst du vielleicht in Zukunft mal zeigen wie man mti dem bestehenden Setup (webmum, mysql, postfix, dovecot) eine Maillingliste noch anlegen/verwalten/nutzen kann? Also z.B. mit Mailman ? Wäre cool

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