Dies ist die archivierte Version des Blogs vom 05.01.2017. Aktuelle Beiträge findest du unter thomas-leister.de
 

Sehr geehrte Damen und Herren aus der Politik,

Störerhaftung, Leistungsschutzrecht, Vorratsdatenspeicherung, keine Netzneutralität. Das waren bisher Ihre Beiträge zu einem Netzwerk, von dem ich behaupte, dass Sie es nicht annähernd in seiner gesamten Vielfalt kennen. Ihren Beitrag zu einem wichtigen Kernelement unserer heutigen Gesellschaft halte ich nicht nur für kurzsichtig und unvernünftig – nein, ich halte ihn für hochgradig peinlich.

Die Störerhaftung, die noch immer nicht zulässt, dass freie Bürger ihre Netzzugänge unkompliziert und ohne juristische Unsicherheiten freigeben können, behindert massiv das Engagement rund um die dezentral und frei betriebene Freifunk-Infrastruktur. Das Leistungsschutzrecht arbeitet ausgerechnet gegen jene, die es so sehr gefordert hatten. Gleichzeitig fühlen sich Blogger und andere Kreative in ihrem Schaffen stark eingeschränkt und sogar juristisch gefährdet. Der eigentliche Zweck ist vollkommen verfehlt – stattdessen herrscht Rechtsunsicherheit und der Eindruck der Beschränkung unserer Freiheiten. Der Vorratsdatenspeicherung hat nachweislich keinen Nutzen für die Verbrechensbekämpfung. Dennoch wird jeder einzelne Bürger Deutschlands unter Generalverdacht gestellt. Auch die Gefahren, die bei der nicht-Festschreibung der Netzneutralität auf uns zukommen werden, werden großzügig ignoriert und das Internet ein weiteres Stück mehr reguliert.

Egal, welches „Internet-Thema“ angefasst wird: Sie als Politiker versagen in der Gruppe mit Anlauf. Mit jeder neuen gesetzlichen Regelung erhärtet sich bei sog. „Digital Natives“ wie mir der Verdacht, Sie hätten als angeblich lebenserfahrene Menschen keinen Eindruck, was das Internet für uns bedeutet, wie wir es nutzen, und wie wir als junge Generationen es gerne hätten.

Es drängt sich zunehmend der Verdacht auf, Sie würden ihre Entscheidungen nicht von und mit den Bürgern treffen, sondern vor allem im Interesse einzelner Konzerne, die aus gesetzlich festgeschriebenen Regelungen mit aller Rücksichtslosigkeit Profit zu schlagen bereit sind. Eine Art Ausverkauf des Internets scheint derzeit statt zu finden: Große Stücke Freiheit und Selbstbestimmung werden verkauft für das Wohl Einzelner, die von neuen Gesetzen finanziell profitieren. Doch nicht nur das: Auch im Namen der Sicherheit wird unsere Bewegungsfreiheit Stück für Stück eingeschränkt. Es gibt Meinungen, die besagen, das alles geschehe, um den Bürger an eine Art Überwachungsstaat langsam zu gewöhnen. Wollen Sie diesen Vorwurf auf sich sitzen lassen oder sich gar als Mitverantwortliche in solch einem Szenario wiederfinden?

Es bereitet mir Bauchschmerzen, wenn ich sehe, wie Sie ohne ausreichende Kenntnisse über die Netzkultur Gesetze auf den Weg bringen, die gerade diese stark beeinflussen. Internet ist nicht nur Facebook, Google, Instagram. Internet ist weitaus mehr, als die Summe der allgemein bekannten Dienste von Großkonzernen. Dennoch scheinen Sie bei der Gesetzgebung einen Tunnelblick zu haben, der Sie die vielen einzelnen Individuen, die sich in den Sphären des Internets bewegen, großzügig übersehen lässt.

Mit ihren Entscheidungen beeinflussen sie sehr stark das Bild, das junge Menschen von Ihnen haben. Nicht zu Unrecht gelten Sie gemeinhin oft als altmodisch, streng, nicht zeitgemäß, regulierungs- und kontrollfreudig. Auch mit ihren Entscheidungen gegen ein freies, vielfältiges und qualitativ hochwertiges Internet haben Sie sich diese Attribute zugeschrieben.

Ich appelliere an Sie: Orientieren Sie ihre Politik nicht an den plakativen, oft panischen Phrasen aus der Lobby. Richten Sie sich nicht nach Gewinn und Quartalszahlen einzelner Konzerne oder Verbunden aus solchen. Hören Sie bei netzpolitischen Themen viel mehr auf das, was Fachleute, die Gesamtheit der Bürger und nicht zuletzt alle sagen, die im Internet Zuhause sind und lassen Sie Vernunft walten. Das Internet ist das großartigste, mächtigste und gleichzeitig sensibelste Instrument, das wir zum globalen Informationsaustausch haben.

Machen Sie es uns nicht kaputt. Dafür haben wir ihm zu viel zu verdanken.


Post published on 27. Oktober 2015 | Last updated on 27. Oktober 2015
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Thomas Leister

Geb. 1995, Kurzhaar-Metaller, Geek und Blogger. Nutzt seit Anfang 2013 ausschließlich Linux auf Desktop und Servern. Student der Automobilinformatik an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Landshut.

3 thoughts on “Die Zukunft des Internets – Mein Appell an die Politik

  • Sehr schöner Artikel, spricht mir aus der Seele.

    Ich wage mal eine Prognose für die Zukunft:
    Youtube wird niemals für schnellere Anbindung bezahlen, weil sie einfach so marktbeherrschend sind, dass man selbst Laien keinen Internetanschluss mit langsamer Youtube-Anbindung verkaufen kann* (siehe Leistungsschutzrecht, Google hat den längeren Hebel und den länderen Atem); gleiches gilt für Facebook, Spotify, Skype

    Einziger Markt, den man vielleicht noch was gewinnen kann, ist Video-Streaming. Vor allem, weil einige Internetanbieter hier ja auch Interesse haben, ihre eigenen Produkte auf den Markt zu werfen und zu fördern (bei o.g. Diensten ist das quasi aussichtslos). Netflix ist in Deutschland noch nicht groß genug, um hier Druck zu machen.
    Hier könnten also die großen des Marktes anfangen, sich schnellere Anbindung zu kaufen. Und was dann? Werden die weiter zahlen, wenn sie ein Monopol haben? Natürlich nicht, auch sie werden die Preise drücken und schließlich einfach nichts zahlen.

    Langfristig haben wir also ein noch zentralisierteres Internet, in dem Provider auch nicht mehr Geld sehen als vorher.

    Und selbst wenn die neuen Einnahmen für den Breitbandausbau genutzt werden (wovon erfahrungsgemäß nicht auszugehen ist), so wird es diese neuen, teuer gelegten Leitungen wohl kaum im „Normalbetrieb“ geben. Also bringt der Ausbau dem Endkunden gar nichts. Es sei denn, er zahlt drauf. Mehr Internet für mehr Geld hätten wir auch einfacher geschafft.

    * Ich würde mich schlapplachen, wenn Google oder sonstwer mal auf die Idee käme, von den Providern Geld dafür zu verlangen, dass die Internetkunden diese Dienste nutzen können. Schließlich steigern die ja den Wert der Ware Internet. xD Aber das will natürlich kein Provider sehen, dass er sein Verkaufsargument von anderen Firmen quasi geschenkt kriegt. (Hier erkennt man eine Besonderheit des Internets, die es so erfoglreich gemacht hat.)

  • Lol, das Google Geld von der Telekom verlangt wäre wirklich eine ironische Wendung (wobei das Kartellrechtlich vermutlich schwer ist).
    Mh, guter Post, hab das mal in die Diaspora geworfen ;)
    lg

  • Falls du es nicht selbst gesehen hast, die Diaspora lässt dich grüßen :)

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